Die Praxis der Achtsamkeit und das „6 Minuten Tagebuch“
Es begann mit einer Reise. Meine 18 jährige Tochter und ich stöberten in einem Buchgeschäft in Berlin und sie entdeckte „Das 6-Minuten Tagebuch“. Voll begeistert zeigte sie es mir, aber es sei zu teuer. In einer Geheimaktion gelang es mir das Buch zu kaufen, in meine Tasche, ins Hotel und unbemerkt bis nach Hause zu schmuggeln. Voller Freude schenkte ich es ihr einige Monate später zu Weihnachten. Und wie das so bei Jugendlichen ist, die Begeisterung ist kurzlebig und de facto konnte sie sich gar nicht mehr an das Buch erinnern! Weihnachtsüberraschung geplatzt, meine Enttäuschung war groß, aber es hatte ein sehr, sehr gutes Ende. Denn das Buch fand dann seinen Weg zu mir und seit damals benütze ich täglich „Das 6-Minuten Tagebuch“.
Kurz erklärt handelt es sich um ein Tagebuch, das gezielt Fragen stellt und nachhaltig zu täglichen Eintragungen „verpflichtet“.
Zur Einleitung eine kurze Geschichte aus dem Buch:
Der Bauer Al Hafred hörte zum ersten Mal von Diamanten von einem weisen Priester. Dieser erzählte ihm, dass schon ein einziger Diamant, nicht größer als eine Daumenspitze, mehr wert sei als 100 Bauernhöfe. So entscheidet sich Al Hafred seinen Hof zu verkaufen und sich auf die Suche nach Diamanten zu machen. Nach vielen Jahren der erfolglosen Suche gibt er auf und nimmt sich gebrochen und verarmt das Leben. Einige Zeit danach kommt der Priester zu Besuch, um den Nachfolger des Hofes von Al Hafred kennenzulernen. Er sieht einen Stein auf der Kaminplatte liegen und erkennt, dass es ein großer Diamant ist. Auf seine Frage sagt ihm der neue Besitzer, dass er den Stein etwas weiter abwärts im Bachbett gefunden habe und dort noch weitere Dutzend zu finden seien. Aus diesem Bach, der einst Al Hafred gehörte, entstand die Golconda-Mine, eine der ertragreichsten Diamantenminen aller Zeiten. (Russell H. Conwell)
Die Botschaft ist klar: Hätte Al Hafred das geschätzt, was er schon besaß, so hätte er letztendlich die Schätze auf seinem eigenen Land erkannt.
Womit ich beim ersten Thema wäre, der Dankbarkeit. Das „6-Minuten Tagebuch“ startet mit der morgendlichen Frage wofür ich dankbar bin und gibt mir Raum für 3 Antworten. Nun, das sollte nicht schwierig sein, 3 Dinge zu finden, für die ich dankbar bin, oder? Das war für mich tatsächlich immer die einfachste Aufgabe.
Es durfte simpel sein, wie z.B., für meinen ersten Schluck Kaffee, für das frische und saubere Wasser in meinem Gesicht am Morgen, oder auch, dass ich schmerzfrei aufgestanden bin, oder meine Selbstständigkeit leben darf.
Wir kämpfen oft so sehr für unsere Rechte und vergessen darüber unsere Dankbarkeit. Dankbarkeit bereichert mein Leben, ohne Dankbarkeit bin ich nichts!
Die zweite, tägliche Frage lautet „Was würde den heutigen Tag wundervoll machen?“
Mit dieser Fragestellung im „6-Minuten Tagebuch“ werde ich zur Achtsamkeit geführt:
95% unserer Tätigkeiten sind Gewohnheit und das hat auch durchaus sein Gutes. Wenn ich bei jedem Handgriff und Schritt darüber nachdenken müsste wie die Bewegung aussehen muss, wäre ein Leben auf unsere gewohnte Weise nicht möglich. Die Gewohnheit und der Automatismus erlauben uns, dass wir unsere Aufmerksamkeit den „wichtigen Dingen“ widmen können. Wenn wir es denn tun!
Was mich zu der offenen Fragestellung mit den „W-Fragen“ bringt:
Mit den Fragen wo, wohin, wer, wem, was, wie kommt es dazu etc. kann ich meine Achtsamkeit meinem Gegenüber zum Ausdruck bringen (vorausgesetzt ich höre dann bei der Antwort zu!). Diese Fragen könnten z.B. sein
Woran könnte das liegen, was meinst Du?
Wie genau stellst Du dir das vor?
Wer könnte Dir dabei helfen?
Wie würde es aussehen, wenn……?
Wenn ich also die Frage im „6-Minuten Tagebuch“ beantworte, was meinen Tag wundervoll machen würde, so ist die Antwort Achtsamkeit. Eine Antwort könnte sein, „ein schönes, achtsames Treffen mit meinen Freunden“, oder auch „Zeit zum Trauern“, wenn ich etwas zu bewältigen habe.
Der letzte, morgendliche Punkt in meinem „6-Minuten Tagebuch“, ist die „positive Selbstbekräftigung“. Ich habe zwei Zeilen Raum mein Selbstbewusstsein, meine Selbstachtung zu unterstützen.
Bei der Beantwortung dieser zwei Zeilen hat mir „WIDEG“ und das Hinterfragen meiner Werte sehr geholfen. Wofür ist das eine Gelegenheit?
Jede Situation, jedes Gespräch ist eine Gelegenheit für „WIDEG“, eine Chance mich weiterzuentwickeln, zu lernen und zu praktizieren.
Was mich zu den Werten in meinem Leben bringt. Warum bin ich so wie ich bin? Warum sind meine Grundwerte so wie sie sind?
Die Gründe dafür finden sich in den anerzogenen und im Laufe des Lebens angenommenen Werten, sowie auch in den erlebten Entwertungen.
Eine positive Selbstbekräftigung im 6-Minuten Tagebuch könnte also sein „Ich melde mich heute mutig bei der Besprechung zu Wort, weil ich etwas zu sagen habe“, oder „Ich bin liebenswert“ etc. So ausgerüstet starte ich in den Tag.
Abends gibt es dann die Abschlussfragen.
Was habe ich heute Gutes für jemand getan?
Das lässt mich über den Tag reflektieren, es können „Kleinigkeiten“ sein, wie eine freundliche Geste gegenüber einer fremden Person, oder wertschätzende Worte gegenüber nahestehenden Menschen.
Die nächste Frage lautet „Was hätte ich heute besser machen können?“
„Achtsames Zuhören“ und „mehr für mich tun“ fand sich des Öfteren in meinen Eintragungen. Die letzte abschließende Tagesfrage im Buch lautet:
„Großartige Dinge, die ich heute erlebt habe“ und es stehen drei Zeilen für die Antwort zur Verfügung. Nicht immer konnte ich diese Zeilen befüllen, manchmal waren es aber auch mehr als drei. Das waren „banale“ Dinge, wie im Dezember, „die Heizung funktioniert wieder“ oder aber auch „schönes Gespräch mit Freunden“.
Der Fokus liegt also im Positiven zum Abschluss des Tages.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich noch mehr erkannt habe, dass es nötig ist das Glücksgefühl von äußeren Umständen zu emanzipieren.
Mit der „WIDEG-Frage“ übe ich und versuche mir in Erinnerung zu rufen den Fokus auf Gelegenheiten zu legen, nicht auf Hindernisse.
Das „6-Minuten Tagebuch“ ist ein Pfad, um zum Lebensbuch zu finden.
Was das Lebensbuch ist?
Tulku Lobsang, ein tibetischer Mönch hat eine schöne Erklärung dafür:
Er sagt: „Das Leben ist wie ein leeres Buch. Du schreibst Dein Buch selbst und ich hoffe, Du schreibst ein Buch, das Du gerne liest“.